Stephanus |
Stephanus - Aufbruch zur Weltkirche -
Die ersten Christen haben Jesus selbst gekannt Wir schreiben das Jahr 34 oder 35. Tod und Auferstehung Jesu sind allen noch gut im Gedächtnis. Das Bekenntnis der Apostel sowie der Jüngerinnen und Jünger zu Jesus, dem Auferstandenen, ermutigt unter dem machtvollen Wirken des Geistes Gottes tausende Juden in Jerusalem und den römischen Provinzen, sich auf den Namen Jesu Christi taufen zu lassen und sich so als „Christen“ zu bekennen. Petrus, in den ersten Jahren zusammen mit Maria Magdalena, leitet die ersten Gemeinden in Jerusalem gemeinsam mit den übrigen Aposteln. Diese erste Generation von Christen lebt aus dem unmittelbaren Weitererzählen der Botschaft und dem Wirken Jesu. Ganz Jude sein und ganz Christ, das ist es! In den großen Predigten des Petrus, die uns in der Apostelgeschichte überliefert sind, spüren wir etwas von der Macht ihrer Verkündigung. (vgl. 2,14ff, 3.11ff, 4,8ff, 5.30ff) Immer wird aus der Erfahrung von Ostern die Geschichte Gottes mit seinem Volk Israel tiefer gedeutet. Der „Hohe Rat“, das Synedrium, die Versammlung der „Ältesten“ aller jüdischen Gruppen, achtet streng auf den rechten Glauben aller in Israel. So werden die Apostel kurzzeitig verhaftet, dann aber auf den Rat des weisen Gamaliels, eines führenden Pharisäers, wieder freigelassen, wie wir in der Apostelgeschichte nachlesen können. (vgl.5,34ff) Das führt dazu, dass sich die Christen für eine gewisse Zeit ungestört ausbreiten können, sich zum Gebet im Tempel oder der Synagoge versammeln und zum Brotbrechen, dem Gedächtnismahl Jesu im Rahmen eines meist täglichen gemeinsamen Essens, in den Häusern treffen. (vgl. 2,46ff) Unter Geschwistern darf es Streit geben Bald gibt es zwei Gruppen von Christen, die Juden aus Jerusalem und dem Umland, „Hebräer“ genannt, weil sie hebräisch oder aramäisch sprechen sowie die Juden aus anderen Provinzen, „Griechen“ genannt, weil sie griechisch sprechen. Die hebräische und die griechische Sprache, das hebräische und das griechische Danken haben ganz unterschiedliche Wurzeln und betrachten die Dinge oft aus verschiedenen Blickwinkeln, auch wenn das Judentum die gemeinsame Religion ist. So kommt es immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten innerhalb der ersten Christengemeinden. Stephanus ist Prediger und Küchenchef Und hier beginnt die Geschichte mit Stephanus, einem gebildeten griechisch sprechenden jüdischen Mann von etwa 36 Jahren, vielleicht im selben Jahr geboren wie Jesus. Stephanus ist aus der Provinz nach Jerusalem gekommen und inzwischen Christ geworden. Innerhalb der Christengemeinden in Jerusalem gibt es nun Ärger, weil sich „die Griechen“ bei der Verteilung von Gaben im Zusammenhang mit der Feier des Brotbrechens benachteiligt fühlen. (vgl. Apostelgeschichte 6,1) Die Apostel waren dabei nicht unmittelbar beteiligt. Auf ihren Rat hin werden jetzt sieben erfahrene Männer gewählt, die den „Dienst an den Tischen“ brüderlich und schwesterlich übernehmen, an ihrer Spitze Stephanus. Das ist die Geburtsstunde der Diakone in der Kirche. (vgl. 6,2ff) Stephanus, ein vielleicht bei Gamaliel ausgebildeter Schriftgelehrter und Vorsteher einer griechisch sprechenden Synagogengemeinde, predigt als Theologe täglich in der Synagoge oder im Tempel und bekommt gleichzeitig nun den Auftrag, die Feiern in den Häusern mit all den kleinen Belangen bei Tisch zu leiten. Eine ungeheure Weite in der Spannung zwischen Botschaft und Leben wird hier deutlich. Vielleicht ist es auch „der Verzicht auf Herrschaft“, der nach Gerhard Lohfink diese Gleichzeitigkeit von brillantem Predigtdienst und scheinbar nebensächlichem Tischdienst ausmacht. Jetzt macht der Hohe Rat kurzen Prozess Die Vorladung vor den Hohen Rat nutzt Stephanus für eine grundlegende Rede, die uns im 7. Kapitel der Apostelgeschichte überliefert ist. Es ist ein faszinierender Überblick über die gesamte Heilsgeschichte Israels, angefangen bei den Vätern Abraham, Isaak und Jakob, über die Befreiung Israels aus Ägypten, dem Bundesschluss, bis hin zum Bau des Tempels Salomos. Der entscheidende Satz ist der Vers 48: „Doch der Höchste wohnt nicht in dem, was von Menschenhand gemacht ist.“ (Mit genau diesem Satz beginnt das Große Gebet, das 1962 mit in den Grundstein der Kirche St. Stephan in Brühl, gelegt worden ist.) Obwohl dieser Satz ein Wort des Propheten Jesaja (vgl. 66,1) aufgreift, ist jetzt für die streng gesetzestreuen Juden das Maß an Provokation voll. Für Stephanus ist das Handeln Gottes in Jesus von Nazareth nicht an den Tempel in Jerusalem gebunden. Das Heil, das Christus verkündet, gilt unabhängig vom Tempel für alle Völker. Hier bahnt sich, durch Stephanus angestoßen, die Loslösung der frühen Kirche vom Judentum an. Spätestens bei der Erwähnung des Jesaja-Wortes wird seine Rede unter lautem Protestgeschrei unterbrochen worden sein. Der Aufruhr erregt Stephanus selbst so sehr, dass er ihnen Ungehorsam gegen den Heiligen Geist Gottes vorwirft. (Vers 51) Das ist für die meisten der anwesenden Gelehrten Gotteslästerung und damit Tatbestand für die Todesstrafe der Steinigung. Es kommt zur förmlichen Verurteilung und der sofortigen Vollstreckung. Die, die ihn verurteilt haben, müssen die ersten Steine werfen. Unmittelbar vor der qualvollen Tötung steht sein Bekenntnis zu Jesus, als dem „Menschensohn zur Rechten Gottes stehend“ (Vers 56), einem zentralen Satz der Botschaft Jesu. Dass Stephanus seinen Herrn wirklich verstanden hat, bezeugen seine letzten Worte, das Gebet für seine Feinde. (Vers 60) Die Geschichte des Stephanus endet da, wo die Geschichte des übereifrigen und mehr als gesetzestreuen Christenverfolgers Paulus beginnt. Stephanus muss dem großen Gamaliel sehr nahe gestanden haben, denn der Leichnam des Stephanus soll der Überlieferung nach in einem neuen Grab auf einem Acker Gamaliels beigesetzt worden sein. Bei aller Kritik Jesu an so vielen Pharisäern und Schriftgelehrten seiner Zeit dürfen wir nicht vergessen, wie sehr sie beim Volk geachtet waren. Sie suchten nach immer neuen Wegen, die Worte des Gesetzes im Alltagsleben zu verwirklichen. Das Reinsein vor Gott war ihnen besonders wichtig. Jesus verurteilt ihr Handeln nur in dem Punkt, wenn sie das Gesetz höher bewerten als den Menschen und dabei einzelnen lieblos begegnen. Als Jerusalem im Jahre70 zerstört wird und die Mehrzahl der Juden in alle Welt zerstreut wird, bewahren allein die Pharisäer das Judentum vor dem Untergang. Die Sache mit Stephanus geht weiter Mit der Auffindung der Gebeine des heiligen Stephanus im Jahre 415 in Jerusalem entstehen zahlreiche Legenden. Stephanus wird seit dieser Zeit in der Ostkirche und seit dem 6. Jahrhundert im Westen als Erzmärtyrer und Archidiakon verehrt. Stephanus–Reliquien gelangen u.a. nach Byzanz und Rom, nach Ravenna, Rimini und Mailand, nach Metz und in andere französische Bischofsstädte sowie nach Passau, Halberstadt und Mainz. Stephanus ist Schutzpatron der Städte Rom (zusammen mit Laurentius), Prato und Biella. Die Ostkirche feiert sein Gedächtnis am 27. Dezember, die Westkirche am 26. Dezember, dem zweiten Weihnachtstag. Leider ist bei uns der Brauch verlorengegangen, am Stephanustag Brot an die Armen auszuteilen. Vielleicht lässt sich daran heute mit der segensreichen Arbeit der „Tafeln“ überall in unserem Land wieder anknüpfen. In der Ost- wie der Westkirche wird Stephanus seit dem Mittelalter als Diakon mit Albe und Dalmatik (sowie der meist verdeckten Stola) dargestellt. In Händen hält er immer die Siegespalme, anfangs dazu das Evangelienbuch, seit dem 13. Jahrhundert Steine, so auch bei der spätgotischen Statue unbekannter Herkunft von etwa 1450 in St. Stephan in Brühl. Einige Evangelische Landeskirchen sowie die Deutsche Bischofskonferenz rufen seit einigen Jahren am Stephanustag zum Gebet für „verfolgte Christen heute“ auf. Da passt es gut, dass im Altar der Kirche St. Stephan in Brühl Reliquien eines afrikanischen Märtyrers mit dem Taufnamen „Stephanus“ ruhen, der in unseren Tagen um seines Glaubens willen ermordet worden ist. Wie die Fäden heute hier zusammenlaufen Was im „Mysterienspiel Stephanus“ von Kurt Faßbender für unsere Zeit so augenfällig deutlich wird, ist: • die Sehnsucht nach einer geschwisterlichen Kirche wie in den Anfangsjahren • die Vorbereitung des Stephanus für das Lebenswerk des Paulus: die Weltkirche • die zentrale Rolle Gamaliels, der vielleicht ein Leben lang darum gerungen hat, im Wort der Väter verwurzelt zu bleiben und dennoch offen zu sein für das, was zwischen den Zeilen an wesentlich Neuem gesagt und deutlich wird • die Kraft der Frauen, der Jüngerinnen Jesu, die voll Lebensweisheit den Kern der Botschaft mit dem inneren Auge sehen und mit dem inneren Ohr hören gelernt haben und deshalb „Mütter der Kirche“ sind, wie Maria, die Mutter des Herrn • das Vertrauen in die jungen Leute, damals im Leben des Stephanus wie auch heute in der Lüftelberger Spielgruppe, dass nämlich notwendige Veränderungen in der Kirche und im Miteinander der Menschen größtenteils in ihren Händen liegen. für den Arbeitskreis Kirchenwerkstatt St. Stephan Brühl – Rudolf Horn – Juni 2009 |
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