Lüfthildis |
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Bilder Aufführung
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„Ich möcht‘ so gern Lüfthildis kennenlernen! Man sagt nur Gutes über sie.“
Dieser spontane Ausruf der Magd Glismuth beschreibt sehr gut das Interesse und die Neugier, die auch ich vor Probenbeginn gegenüber dem „Mädchen vom Berge“ - Lüfthildis - hatte. Warum ist die Heilige Lüfthildis auch heute noch so wichtig für uns und für Lüftelberg? Was steckt hinter dem Spindelsegen und dem Brauch der Lüfthildisbrötchen? Warum trägt die Heilige Lüfthildis auf Abbildungen so oft einen Ginsterzweig in der Hand? Kurz gesagt: Wer war Lüfthildis? Das Mysterienspiel „Die Heilige Lüfthildis von Lüftelberg“ von Kurt Faßbender kann auf viele dieser Fragen Antwort geben. Zunächst einmal sind die Spielorte des I. und II. Aktes von Bedeutung. Der I. Akt wird in der Kirche St. Petrus gespielt, während der II. Akt in der Burg von Lüftelberg dargestellt wird. Dieser Ortswechsel unterstreicht die inhaltlichen Veränderungen in Akt I und Akt II. Der I. Akt fängt etwas überraschend an. Ehe nämlich die eigentliche Handlung um Lüfthildis beginnt, treten zunächst 2 Besucher aus unserer Zeit auf. Sie werden den Zuschauer durch das Stück begleiten, indem sie Szenen einleiten, Hintergrundinformationen geben, kommentieren und das Gesehene auf eine andere Ebene führen. Auf diese Besucherszene folgt dann die sogenannte Pilgerszene. Diese Szene ist in sofern sehr interessant, als sie vorwegnimmt, welch große Bedeutung und Wirkung die heilige Lüfthildis über viele Jahrhunderte bis heute hat. Es treten 5 verschiedene Pilgergruppen aus 5 Zeitepochen auf, die uns einzelne Formen der Lüfthildisverehrung vor Augen führen, unter anderem auch den Brauch der Lüfthildisbrötchen. Erst in der 5. Szene tritt Lüfthildis selbst auf. Lüfthildis und ihr Vater, der Burgherr, sind bei Kaiser Karl, der sich auf der Jagd so stark verletzt hat, dass ihn scheinbar keiner mehr retten kann. Auf Lüfthildis ruht alle Hoffnung, doch Lüfthildis selber empfindet dies nicht als Last. Sie vertraut ganz fest auf Gott und kann tatsächlich durch die Berührung mit ihrer Spindel den Kaiser heilen. Die Spindel taucht nochmal im Zusammenhang mit einem anderen Wunder auf. Diesmal geht es um eine Grenzstreitigkeit zwischen dem Burgherrn und dem Nachbarn Herrn von Falkenstein. Mit ihrer Spindel zieht Lüfthildis einen Graben, der die Grenze markiert und beide Parteien versöhnt! (Der Graben existiert übrigens heute noch, direkt hinter der Bahn am Bahnhof Kottenforst…) Der I. Akt zeigt also das tiefe Gottvertrauen von Lüfthildis und die Gutherzigkeit der Burgfamilie. Die Magd Hemma fasst dies in einem sehr wichtigen Satz zusammen: „Die Herrin schickt die Bittenden nicht fort. Die hilft doch, wo sie kann. Und ich helf ihr dabei, genau wie die Lüfthildis.“ Aber warum ist neben der Spindel auch der Ginsterzweig ein Attribut für die heilige Lüfthildis? Die Antwort darauf findet sich im II. Akt. Beim Ortswechsel von der Kirche in die Burg wird der Zuschauer bald merken, dass „ein neuer Wind hier in diesen alten Mauern weht“. Inzwischen ist nämlich Lüfthildis leibliche Mutter verstorben und der Vater hat sich eine neue Frau genommen. Gleich zu Beginn wird deutlich, dass die Stiefmutter gänzlich anders als die Mutter ist. Sie ist geizig und hartherzig. Und schon in ihrem ersten Auftritt formuliert sie ihre Ziele: „Den Burgherrn hab‘ ich schon fest in meiner Hand“ und Lüfthildis „soll mir sein die letzte meiner Mägde.“… Diese Pläne versucht die Stiefmutter nun konsequent durchzusetzen. Von den treuen Holzknechten Karl und Gero erfährt der Zuschauer, dass es einen großen Konflikt zwischen Lüfthildis und der Stiefmutter gibt, da das Mädchen beim Gänsehüten betet und aus Sicht der Stiefmutter faul ist und die Gänse nicht bewacht. Dieser Konflikt hat Auswirkungen auf verschiedenen Ebenen. Zum einen wird hier wieder deutlich, dass Lüfthildis durch die Kraft aus dem Gebet zu unglaublichen Dingen fähig ist. Zum anderen führt dies auch zur Entlassung des Holzknechtes Karl, der die Boshaftigkeit der Stiefmutter durchschaut und dem Burgherrn mitteilt, dass die Stiefmutter Lüfthildis mit einer Ginsterrute schlägt. Die Ginsterrute ist also ein Zeichen für die Ungerechtigkeit und Demütigung, die Lüfthildis erfährt. Die Stiefmutter kann diese Beschuldigung vor dem Burgherrn unglaubwürdig machen und Karl muss die Burg verlassen. Er ist wütend über die „verdrehte Welt“, ihre Ungerechtigkeiten und zweifelt an Gott. Lüfthildis versucht ihm in ihrem großen Gottvertrauen zu zeigen: „Gott meint es immer gut mit uns. […] Auch wenn es nicht so scheint.“ Zusätzlich verschlechtert sich durch die Intrigen der Stiefmutter das Verhältnis von Vater und Tochter – schleichend, aber stetig. Ein anderer Konflikt ist entscheidend für die weitere Entwicklung des Lebens der heiligen Lüfthildis. Wie auch schon zusammen mit ihrer leiblichen Mutter, hilft Lüfthildis den Armen und verteilt Brot. Ihre geizige Stiefmutter duldet dieses Handeln nicht. Lüfthildis muss nun immer um Erlaubnis bitten, wenn sie Brot austeilen will. Als Lüfthildis die Eltern eines Tages nicht finden kann, ist sie zunächst ratlos. Doch sie findet Hilfe im Gebet. Es kommt wie es kommen muss, die Eltern treten bei der Übergabe des Brotes hinzu und der Vater schaut in die Schürze seiner Tochter und findet jedoch nur Kohlen darin… Solch eine Frau wie die Stiefmutter braucht immer jemanden, der ihr zuarbeitet und die unangenehmeren Arbeiten übernimmt. Diese Funktion findet sich im Bäckerknecht wieder. Er ist es, der die Gans „wiederfindet“, die Lüfthildis angeblich entkommen ist. Diese verschwundene Gans ist für den ahnungslosen Burgherrn der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Er ist tief enttäuscht und verletzt über seine Tochter. Diese hat mit ihrer Wahrheit keine Chance. In einer sehr aufwühlenden Szene gipfeln die Gefühle des Vaters in den Worten: „So kann ich mich nur schämen, dass du von meinem Blute bist. Ich mag dich nicht mehr seh’n!“ Lüfthildis stürzt in tiefe Verzweiflung und sucht Trost im Gebet. Mit dem Verstoßen der Tochter gibt sich die Stiefmutter jedoch noch nicht zufrieden. In einem letzten Komplott, werden Lüfthildis vom Bäckerknecht anstatt Brot glühende Kohlen in den Schoß geschüttet. Mit dieser Begebenheit bricht die eigentlich Handlung des Stückes ab. In Lüfthildis Schlussmonolog begegnet uns eine verzweifelte, resignierte Frau, die ihr Leben und Handeln vollständig in Frage stellt. Lüfthildis scheint mit ihrer Lebensweise und ihrem Handeln aus dem Glauben heraus, gescheitert zu sein. Ihr letzter Satz lautet: „Lüfthildis ist ein unnütz‘ Ding. Man wird sie schnell vergessen.“. Doch das Mysterienspiel endet nicht mit dieser Aussage... Die beiden Besucher treten zum letzten Mal auf und machen deutlich, dass Lüfthildis im Rückblick keineswegs „unnütz“, sondern sowohl in ihrer als auch in unserer Zeit eine großartige und wertvolle Persönlichkeit war und ist und nicht umsonst eine „Heilige“ genannt wird. Damit schließt sich der Kreis zur Pilgerszene am Anfang des Stückes.
Es lohnt sich also wirklich, Lüfthildis kennenzulernen…!!!
Barbara Bürvenich
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Besetzungsliste
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